Im neuen Gewand…

Der aufmerksame Leser wird feststellen, ich habe meinem Blog ein neues Aussehen verpasst. Alles ein wenig geradliniger und aufgeräumter (wem es nicht aufgefallen ist, sollte sich vielleicht Fragen, wieviel Friseurbesuche seiner[s] Liebsten er schon verpasst hat…Tstss). Aber nicht nur mein Blog wurde optisch überarbeitet, sondern auch eine Ikone der deutschen Weinwelt. Unter Weinkennern mag das eine olle Kamelle sein, aber eine Reise nach Würzburg sollte mir diesen Teil fränkischer Seele etwas näherbringen.

In Deutschland gibt es viele Flaschen! Nein, ich spiele jetzt nicht auf die Bundestagswahl an, sondern spreche von Weinflaschen. Bordeaux-, Burgunder- und Schlegelflasche sind überall gern gesehen und machen selten Probleme. Die Rheingauer Flöte und die Sächsische Keulenflasche führen eher ein regionales Schattendasein und sind stellenweise auch schlicht physikalische Fehlkonstruktionen. Ich will wirklich niemandem auf die Füße treten, aber wer kommt auf die Idee eine Flasche mit einem solchen Schwerpunkt zu entwerfen? Denn (um)werfen ist wirklich das Einzige, zu was die Sachsenkeule einlädt. Aber ganz Deutschland bedient sich inzwischen der gängigen Formate. Ganz Deutschland? Nein! Eine deutsche Weinbauregion leistet erbitterten Widerstand und zieht noch immer ihr eigenes Ding durch. Und um wen sollte es sich dabei handeln, außer um die Bay…ähm die Franken (Puh, war das knapp. Beinahe wäre mir der ein Fauxpas unterlaufen. Als Schwabe bin ich mit derartigen Bundeslandanimositäten bestens vertraut und will kein Einreiseverbot riskieren.)

Natürlich geht es um den Bocksbeutel. Eine deutsche Weinikone. Aber was geht heute nicht alles als Ikone durch? Gutengewissens lassen sich Modern Talking als Ikonen der Popwelt bezeichnen und dennoch würde ich mir lieber mein Trommelfell punktieren lassen, als auf ein Konzert der beiden zu gehen. Unwillkürlich denke ich da an Trubadix, einen Baum und ein sehr langes Seil. Aber zurück zum Thema: Allein die etymologische Herleitung sorgt für Gemütswallungen. Franken werden nicht müde zu betonen, der Name stamme von den Mönchen ab, die ihre Feldflaschen am Bug (Bugsbeutel) getragen hätten. Andere wiederum behaupten, es sei ein beutelartiger Überzug für Gesangsbücher (Booksbüdel) gewesen. Böse Zungen behaupten hingegen, der Bocksbeutel leite sich vom Hodensack des Ziegenbocks ab. Ich bin weder Historiker noch Sprachforscher, weshalb ich mich gerne an der Geschichte mit der Ziege erfreue und dabei etwas vor mich hin kichere.

Aber nicht nur der Name ist streitbar. Liebhaber deutscher Weine kennen das Problem: Fränkische Weine sind was Feines, aber rauben einem lagertechnisch den letzten Nerv. Die traditionellen Bocksbeutel lassen sich weder in gängigen Weinregalen lagern noch halbwegs vernünftig in Kisten stapeln. Alles klappert und verrutscht. Im Kühlschrank geht das Trauerspiel weiter und die widerspenstigen Glasmöppel stehen einem grundsätzlich irgendwie im Weg rum. Sowas kann einem wirklich auf den Sa**…Keks gehen. Das Einzige was bleibt, ist möglichst schnell den Inhalt in Gläser und dann in den Weinliebhaber zu schütten.

Diese Misere erkannten auch die Franken und es kam zu einer kleinen Revolution im Freistaat. Ein neues Design musste her. Der Fränkische Weinbauverband engagierte den renommierten Industriedesigner Peter Schmidt und präsentierte 2015 stolz den Bocksbeutel PS! Allein der Name hat Potenzial. Erzeugt er in unseren Köpfen doch das Bild eines pfeilschnellen Ziegenbocks. Sozusagen der Porsche unter den Paarhufern.

Alles wurde etwas moderner, nüchterner und klarer. Keine unpraktischen Wölbungen mehr, keine altbackenen Siegel auf der Schulter. Eine echte Zeitenwende! Könnte man zumindest meinen. In Würzburg mussten wir allerdings feststellen, dass dieses Make over nur bei einem Beteiligten überhaupt nicht gut ankam, dem fränkischen Winzer!

Schon bei unserem ersten Stopp, dem Weingut am Stein (Ludwig Knoll) zeigten wir uns verwundert. Kein Bocksbeutel PS in Sicht! Wir trafen nur auf Burgunderflaschen und den traditionellen Beutel. Auf unsere Nachfrage hin, wurde uns bestätigt, dass man sich der Fehler des alten Designs sehr wohl bewusst sei. Allerdings sei das neue Design weder wirklich hübsch noch authentisch. Mit dieser Einschätzung sind sie wohl nicht allein.[1] Ich mag diese Art der „Sturheit“…entweder machen wir es richtig oder eben gar nicht. Authentisch wie der Bocksbeutel selbst. Nach unserer kurzen Verwunderung war dieser Glaubenskrieg auch ganz schnell egal. Die Weine aus dem Hause Knoll haben uns ziemlich hingerissen. Obwohl ich wirklich kein Fan des Silvaners bin, konnte ich mich hier kaum satttrinken. Selbst in den ersten Lagen zeigten Silvaner und Riesling eine ansprechende Tiefe und die Großen Gewächse hinterließen uns mit einem grenzdebilen Grinsen im Gesicht. Für den roten Faden in der Geschichte: Die Weine sind wirklich authentisch, lassen ihre Herkunft erkennen und doch modern. Mein persönliches Highlight war der Silvaner VINZ – Alte Reben. Für mich so eine Art Naturalwein-GG mit unglaublicher Struktur und Trinkfluss. Bei diesem Brummer hätte ich den Wein auch im Bocksbeutel mit nach Hause genommen, aber die Burgunderflasche kommt durchaus gelegen.

© Ludwig Knoll, Weingut am Stein

Im Übrigen sträuben sich auch die beiden Würzburger „(Krankenhaus)Platzhirsche“, das Julius- und das Bürgerspital, gegen das neue Flaschendesign. Schließlich sei Würzburg die Heimat des Bocksbeutels mit allen Ecken und Kanten. Ende der Diskussion! Gefühlt behaupten beide Häuser, der Bocksbeutel sei auf ihrem Mist gewachsen. Geschenkt! Denn da ist sie wieder, diese sympathische Sturheit. Aber wer sich mit den Bayern ein Bundesland teilt, muss eben auch mal stur sein. Insgesamt gilt ja auch der namensgebende Ziegenbock nicht unbedingt als sonderlich Kompromissbereit. Die Weine der beiden Spitäler haben uns allerdings ein wenig ratlos zurückgelassen. Bei den ersten Lagen wollte die Begeisterung erst nicht so richtig überspringen. Eine Ausnahme bildete dabei nur der Chardonnay vom Bürgerspital, der wirklich gestrahlt hat. Zum Glück konnte unsere Enttäuschung schnell überwunden werden. Die Großen Gewächse machten klar, weshalb die beiden Weingüter seit hunderten von Jahren einen guten Ruf genießen. So fanden schließlich auch noch ein paar Bocksbeutel ihren Weg in meinen Keller – da herrscht aber ohnehin Unordnung.

Und die Moral der Geschichte? Natürlich muss der Wurm dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Aber wenn eben dieser so gar keinen Bock(s) auf den Wurm hat, dann lässt er ihn im Beutel und wird stattdessen Ziegenhirte – oder so ähnlich. Nach diesem verunfallten Kalauer, leite ich elegant über zum Wein. Der schmeckt nämlich beiden, Angler und Fisch:

Weingut am Stein (Ludwig Knoll) – Silvaner VINZ Alte Reben – 2019 (Franken)

Silvaner ist für mich immer so eine Sache. Selten kann ich mich für diese Rebsorte wirklich erwärmen. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Schon beim ersten Riechen ist der Wein wahnsinnig präsent. Eine entzückende Phenolik flutet unsere Sinne. Apfel und ein Hauch Exotik strömt uns entgegen. Dazu etwas Rauchiges und ein Touch Brioch. Im Gaumen dreht dieser Silvaner erst so richtig auf. Textur! Textur! Und nochmal Textur! Im Fokus stehen klar die feinen Gerbstoffe. Der Wein ist keineswegs anstrengend oder kompliziert. Er bleibt saftig und bringt ordentlich Grip mit. Die tiefe Aromatik wird dabei von etwas Salzigem förmlich protegiert. Zum Abschluss bleibt er noch lange auf der Zunge und macht doch Lust auf den nächsten Schluck.

Eine letzte Anmerkung sei noch erlaubt. Nach einem Urteil des EuGH von 1983 dürfen nur noch fränkische Weine in Bocksbeutel abgefüllt werden. Eine Ausnahme soll nur dann gelten, „soweit die Weine nach einer lauteren Praxis und herkömmlichen Übung in ihrem Heimatstaat in solchen Flaschen abgefüllt sind“. Juristen Deutsch ist doch was feines! Übersetzt heißt es so viel wie, wer es schon immer gemacht hat, darf es auch weiterhin machen. Traditionell trifft dies auf das Baden-Badener Rebland und Tauberfranken zu. Außerdem gibt es einige Winzer in Portugal die traditionell eine ganz ähnliche Flasche verwenden. Recherchen haben ergeben, dass es sich dabei aber um fränkische Auswanderer handelt; es bleibt also in der Familie. Leider hat es der Fränkische Weinbauverband versäumt, den Bocksbeutel zu einem echten Qualitätsmerkmal auszubauen. Die internen Vorschriften, um einen Bocksbeutel verwenden zu dürfen sind meines Erachtens zu lapidar und schützen kaum vor billiger Massenware.


[1] Zum fünfjährigen Jubiläum verwendeten 30% der Bocksbeutelabfüller immer noch die alten Flaschen. Insgesamt nimmt der Anteil des Bocksbeutels sogar ab.

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