James Bond kann nicht ohne. Ernest Hemingway machte sie zur Legende. Und selbst die Queen ist ein Fan. Sie alle trinken gerne Cocktails. Keine Sorge, ich wende mich nicht vom Wein ab. Trotzdem hilft es manchmal, den eigenen Horizont etwas zu erweitern. In unserem letzten Urlaub hatte ich das große Vergnügen, mich etwas näher mit Cocktails beschäftigen zu dürfen. Mir sind dabei einige Gemeinsamkeiten mit dem Thema Wein aufgefallen.
Über Jahre hinweg kam mir bei dem Wort „Cocktail“ automatisch ein quietschbunter Drink mit Sonnenschirmchen und Fruchtgarnierung in den Sinn. Und fast genauso automatisch, legte sich ein Unwohlsein über meinen Magen. Unweigerlich kamen die Erinnerungen an sahnig süße Cocktails hoch. Wirklich lecker fand ich keinen davon. Meistens traf billiger Fusel auf zu viel Zucker. Kopfschmerzen vorprogrammiert. Zu Studentenzeiten, gab es jeden Montag das sog. Cocktail-Würfeln in einer Bar. Lag die eigene Zahl über der des Kellners, war der Drink umsonst, andernfalls bezahlte man den normalen Preis. Und so haben die Drinks (leider) auch geschmeckt. Für ähnliche Erfahrungen, besucht ihr einfach eine der bundesweit bekannten Gastro-Ketten mit (pseudo)mexikanischem Einschlag. Ihr könnt aber auch in eine beliebige Großraumdisco gehen. Wer seine letzten Sinneszellen mit scharfem Alkohol und Unmengen an Zucker betäuben möchte, ist hier an der richtigen Adresse.
Erst im Laufe der Jahre wurde mir bewusst, dass Cocktails mehr sein können, als schirmchentragende Kalorienbomben auf Sirupbasis. Klassiker wie der Old Fashioned, Negroni oder Whiskey Sour zeigten mir die wahren Dimensionen. Diese Drinks sind wahnsinnig geschmacksintensiv und doch ziemlich gerade heraus. Gut gemixt wird jede Zutat perfekt in Szene gesetzt. Nichts wird verschleiert oder kaschiert. Sowas geht aber eben nur mit wirklich guten Zutaten.
Wer denkt, die Zubereitung solcher Drinks beschränke sich auf ein stumpfes Zusammenkippen, der irrt. Hinter dem Ganzen steht eine regelrechte Wissenschaft und jeder Bartender hat seine eigenen Geheimnisse.
Aber was sind denn nun eigentlich Cocktails: Traditionelle ist es eine Bezeichnung für alkoholische Mischgetränke bestehend aus Spirituosen jeglicher Art, Zucker, Wasser und Bitters. Ohne die Zugabe eines Bitters nannte sich das Ganze dann Sling. Mit der Zeit wurde die Vielfalt immer größer und die Unterteilungskriterien immer willkürlicher. Je nach Cocktailkarte, findet ihr Highballs, Sours, Longdrinks, Shortdrinks etc. pp.
Die Fachliteratur ist fast unerschöpflich. Es finden sich unzählige Anekdoten und Geschichten dazu, wie bestimmte Cocktails erfunden wurden. Selbst der Begriff „Cocktail“ bietet Anlass für Spekulation. Eine als glaubhaft eingestufte Geschichte hat erstaunlich viel mit Ingwer und Pferdehintern zu tun. Vielleicht komme ich irgendwann mal darauf zurück. Mir geht es mehr um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Wein. In einigen Gesprächen mit unserem Barkeeper im Griechenlandurlaub, Kostas, stellte ich fest, dass unsere Leidenschaften sehr ähnlich sind.
Die Unterschiede scheinen zunächst klar. Wein ist ein „natürliches“ Produkt aus vergorenen Trauben. Da wird an der Theke (hoffentlich) weder Eis noch Zucker hinzugegeben. Außerdem wird (abermals hoffentlich) nichts geschüttel oder gerührt. Aber unterscheidet sich eine Cuvée so sehr von einem Cocktail? Brechen wir es doch einmal herunter: Im Ergebnis versucht ein Barkeeper nichts anderes, als ein guter Winzer bei der Assemblage. Die Vorzüge einzelner Grundprodukte (Rebsorten, Fässer, Lagen) sollen zusammengeführt und potenziert werden. Gleichzeitig sollen Nachteile ausgeglichen werden. Im Bordeaux sagt man etwa, dass die Rebsorte „Semilion“, ein Engel mit nur einem Flügel, sei. Ohne seinen Partner Sauvignon Blanc sei sie nicht in der Lage zu fliegen. Hier kommt es also auch auf die richtige „Mischung“ an.
Ich weiß, durchaus eine steilen These: Aber wir lassen die Unterschiede (die ganz Offensichtlichen mal außen vor) sehr viel schneller hinter uns, als gedacht. Denn auch bei den klassischen Cocktails geht es um ein Zusammenspiel aus Aromen, Süße, Säure und Bitterkeit. Nur wenn ein Drink die richtige Balance findet, wird er dem Gast schmecken. Ein Whisky Sour mit zu viel Zitronensaft wird ungenießbar. Ebenso ein Old Fashioned mit zu viel Zucker.
Gleichzeitig liegt aber genau in diesem Punkt ein deutlicher Unterschied. Will der Barkeeper ein stärkeres Vanille-Aroma erzeugen, nutzt er beispielsweise frische Vanille Schoten oder eben einen Sirup. Wobei ihm natürlich auch der Weg offen steht, die Spirituosen anzupassen. Rum ist eben nicht gleich Rum und Gin nicht gleich Gin. Aber er kennt seine Ausgangsprodukte und kann diese entsprechend einsetzen. Und in aller Regel sind die Produkte sehr vorhersehbar, weichen also nicht durch Jahrgangsunterschiede etc. ab.
Einem Winzer stehen diese direkte Möglichkeiten hingegen nicht offen. Er kann aber ein spezielles Fass bzw. eine spezielle Toastung einsetzen, um den Vanilleton zu fördern. Will er fruchtige Aromen in den Vordergrund stellen, wird er den Wein ebenfalls entsprechend ausbauen. Manche Winzer setzen auch bestimmte Reinzuchthefen ein, die ein gewünschtes Aroma verstärken sollen. So ganz frei von „Tricks“ ist die Weinbereitung also auch nicht. Klar ist aber, beim Wein muss das Aroma dem Grunde nach aus der Traube stammen. Feinheiten lassen sich (manchmal) steuern und doch sind die Faktoren weniger beherrschbar. Und genau hier liegt die Faszination von Wein. Diese Unberechenbarkeit der unzähligen Faktoren. Die Mischung aus Handwerk und natürlichem Prozess.
Ungeachtet dieser Unterschiede, gibt es aber noch allerhand Gemeinsamkeiten: Sowohl Wein als auch Cocktails können auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Cocktails kamen keineswegs erst in den letzten zwanzig Jahren auf. Bereits um 1860 erschienen die ersten Barbücher und es entwickelte sich eine reichhaltige Kultur. Gerade in der Zeit der amerikanischen Prohibition erlebten Cocktails einen wahren Boom, konnte doch der billige schwarz gebrannte Alkohol geschmacklich aufgewertet werden. Einige Drinks wurden gar zu Legenden. Um andere ranken sich fabelhafte Mythen. Die Geschichte der Cocktails reicht zwar nicht bis zu den Römern, trotzdem bietet sie Stoff für Hollywood.
Die aber wohl größte Gemeinsamkeit ist die Leidenschaft für den Genuss. Bartender verbringen Stunden und Tage damit, neue Rezepte zu kreieren. Sie studieren alte Barbücher, um Altes neu zu interpretieren. Sie köcheln Sirups, Infusions und suchen nach den besten Spirituosen. Wie beim Wein steht der Genuss an vorderster Stelle. Zwei wundervolle Formen des Hedonismus.
Natürlich halte ich dem Wein die Treue. Aber gegen eine kleine Affäre mit der Welt der Cocktails ist wohl nichts einzuwenden. Zumal jeder Weinabend durch einen geschmackvollen Aperitif und/oder Sundowner an Qualität gewinnt. Aus diesem Grund habe ich meine Hausbar leicht erweitert und freue mich auf die ersten Drinks.
Heute gibt es ausnahmsweise keine Verkostungsnotiz, sondern einen kleinen Ratschlag für die heißen Sommertage: Schnappt euch einen Cocktailshaker und probiert einfach mal ein bisschen rum. Ich persönliche empfehle einen Gin Basil Smash. Zwar wirklich nichts Neues, aber wahnsinnig erfrischend und leicht herzustellen. Das Grundrezept:
- 60ml Gin
- 30ml Zitronensaft
- 20ml Zuckersirup
- Handvolle Basilikumblätter
Basilikum und Gin in den Shaker geben und dort mit einem Stößel etwas malträtieren. Lasst die Mischung kurz (30 bis 60 Sekunden) ziehen, damit sich möglichst viel Farbe löst. Am besten lasst ihr die Stile am Basilikum dran. Danach die restlichen Zutaten mit Eis in den Shaker und los geht’s. Ihr könnt auch Drittel des Zitronensafts durch Limettensaft austauschen. Dadurch wird es noch etwas frischer. Außerdem stehen dem Drink ein paar Minzblätter ziemlich gut. Die Minze besser nicht zerstoßen, sie wird sonst schnell bitter. Heraus kommt ein herrlicher Sommerdrink! Cheers!
PS: Der nächste Urlaub ist zum Glück schon gebucht. Diesmal wird es auch wieder richtig weinlastig. Nach einem kurzen Aufenthalt in Paris, geht es direkt weiter ins wunderschöne Bordeaux. Ick freu mir!