Ich hatte sie alle!

Der Jahreswechsel naht mit schnellen Schritten und seit Monaten ist hier nichts mehr erschienen. Ich will euch gar nicht mit Ausreden langweilen, ich hatte schlicht keine Lust etwas zu schreiben. Nun will ich euch aber doch noch an meinem Triumph teilhaben lassen, denn ich hatte sie wirklich alle.

Mein Französisch ist leider immer noch eine Katastrophe. Trotzdem fasziniert mich dieses Land und vor allem seine Weine. In Verkennung aller Sprachschwierigkeiten ging es im Spätsommer also mal wieder zu unseren Nachbarn. In Paris lag diesmal der Schwerpunkt weniger auf den Rebensäften. Wir tauchten stattdessen in die dortige Cocktailszene ab. Unser Türöffner war dabei die Little Red Door Bar im 3rd Arrondissement. In der Zeit der amerikanischen Prohibition, kündigten rote Türen häufig illegale Bars an. Um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, waren die Gäste angehalten, leise zu sein, weshalb solche Bars noch immer „Speakeasy Bars“ genannt werden. Heutzutage lässt sich auch in solchen Etablissements zwar wieder ausgelassen feiern, aber die Atmosphäre ist trotzdem besonders. Die Little Red Door ist aber nicht nur irgendeine Bar. Wie wir später erfahren haben, ist sie seit Jahren auf der Liste der Besten Bars der Welt vertreten.[1] Trotz all des Ruhms, waren die Bartender wahnsinnig offen und uns wurde nicht langweilig. Auf deren Empfehlung besuchten wir danach den Lulu White Drinking Club[2] am Montmartre. Ebenfalls eine echte Instanz im Paris Nachtleben, mit dem Charme eines alten Amüsierbetriebs. Dort mussten wir nur sagen, wer uns geschickt hat und schon waren wir Teil der Community. Ich kann wirklich jedem nur empfehlen, sich direkt an die Bar zu setzen. Bartender sind meistens gesellig und ihr könnt ihnen gleichzeitig noch beim Mixen zuschauen. Kostenlose Probedrinks inklusive.

Der zweite Teil unserer Reise führt uns nach Bordeaux. Was soll ich sagen, wir haben uns schockverliebt! Kleine verwinkelte Gassen. Unmengen an Restaurants, Bars und kleinen Lädchen. Und natürlich Wein. Kaum eine Stadt hat uns bisher so in den Bann gezogen. Hier durfte jetzt natürlich auch das Thema Wein nicht fehlen. Auch wenn die Bordelaiser Weine immer wieder gemobbt werden und die wahren Großmeister ja alle nur noch Burgunder trinken, bleibt das Bordeaux ein Mekka für alle Weinliebhaber. Auf unseren Touren durften die großen Namen natürlich nicht fehlen. Und was soll ich sagen, ich hatte Sie alle. Egal ob Lafite, Mouton oder Margaux. Ja sogar Petrus. Der Jahrgang 2022 fiel aber sehr unterschiedlich aus. Während Mouton-Rothschild noch sehr unbalanciert wirkte, kam Margaux und Petrus mit einer tollen Struktur daher. Château Haut-Brion konnte ebenfalls überzeugen. Bei Latour dürfte es spannend bleiben, in welche Richtung sich der Jahrgang entwickeln wird. Mir jedenfalls war es ein inneres Traubenpflücken, alle Premiere Grand Cru zu verkosten und sogar noch Petrus abzuhaken.

Gut, okay. Aufmerksamen Lesern dürfte es bereits aufgefallen sein. „Wie will er denn im Spätsommer bereits den Jahrgang 2022 verkostet haben.“ Ihr habt ja recht. Natürlich konnten wir nicht den 2022er verkosten. Zumal ich leider immer noch nicht im Lotto gewonnen habe. Und dem will ich gleich noch ein Geständnis hinterherschieben. Ich bin nämlich ein hundsgemeiner Dieb. Ein Traubendieb. Dank meiner flinken Finger und einer verlässlichen Fluchtwagenfahrerin konnte ich zumindest die Trauben aller Spitzenchateaux verkosten. Ausgerechnet bei dem letzten Weingut (Chateau Haut-Brion) wurden wir dann auch noch erwischt. Elegant hatte ich mich über den videoüberwachten Hof zu den vordersten Rebzeilen getänzelt. Dann ein unauffälliger Blick in die Ferne, eine gekonnte Körperdrehung und schon hatte ich die gesuchten Beeren im Mund. Gerade als wir zurück zum Auto wollten, kam uns der Leiter der Vinothek entgegen und fragte, was wir da machen würden. Panik! Auf Englisch erklärten wir ihm hektisch, dass wir große Fans wären und uns nur umschauen wollten. Offensichtlich hatte er meinen Oceans-Eleven-Auftritt gar nicht mitbekommen und lud uns sogar noch zu sich ein. Vollgepumpt mit Adrenalin und Traubenzucker stammelte ich allerdings nur irgendwas von einem Termin und wir machten uns vom Acker. Selten habe ich mich so über mich selbst geärgert. Noch Monate später könnte ich mich dafür ohrfeigen.

Natürlich haben wir aber auch „fertigen“ Wein verkostet. Nicht die ganz großen Tropfen, aber trotzdem gefiel mir, was ich ins Glas bekamen. Dabei wurde aber immer wieder klar, das Bordeaux steht an einem Scheideweg. Junge Winzer versuchen ihre Weinbergs- und Kellerarbeit umzustellen und wollen eher biologisch arbeiten. Trotzdem scheitern sie an sich selbst. Bordeaux ist Bordeaux ist Bordeaux. In den Jahren seit Parker hat sich ein gewisser Stil etabliert. Und gerade der amerikanische Markt erwartet diese Stilistik. Chateaux, die nicht allein ihres Namens wegen gekauft werden, müssen sich also entscheiden. Entweder sie produzieren in der bekannten Manier oder wagen es, aus der Reihe zu tanzen. Ein junger Weingutmitarbeiter aus dem Pauillac klagte uns nach einer Tour dieses Leid. Die amerikanische Reisegruppe war eben vom Hof gefahren. Aber auch andere Weingüter berichteten uns von dem Spannungsverhältnis zwischen konservativen Kunden und progressiven Winzern. Nach meiner bescheidenen Meinung wird sich hier zeitnah einiges bewegen. Vielleicht nicht in der Spitze, aber es lohnt sich die kleineren Namen genauer im Blick zu behalten.

Wie ihr seht, hatten wir eine nervenaufreibende Zeit im Bordeaux. Und auch abseits des Weines, wird es ein unvergesslicher Urlaub bleiben. In einer kleinen Cocktailbar lernten wir dann sogar noch einen kanadischen Bartender kennen, der mit seinem YouTube-Kanal „Truffles on the Rocks“[3] die Szene bereichert. Obwohl der Laden brummte, philosophierten wir noch länger über Wein und Cocktails. Netterweise unterstützte er mich sogar ein wenig bei der Entwicklung meines ersten eigenen Rezepts. Und da Weihnachten vor der Tür steht, möchte ich euch dieses gerne ans Herz legen:

Arbeitstitel: The Frankfurt Buccaneer

Frankfurt ohne Apfelwein ist möglich, aber sinnlos. Puristen trinken ihn sauer gespritzt. Trotzdem dachte ich mir, dass es sich mit dem „Stöffchen“ doch bestimmt auch hervorragend mixen lässt. Apfel, Zimt und warme Aromen passen für mich perfekt in diese Jahreszeit. Dazu ein bisschen funky Rum und schon steht der hessische Freibeuter:

1 oz. (30ml) Dunker Rum (bspw. Plantation Barbados Original Dark Rum)

½ oz. (15ml) Zimtsirup

¼ oz. (7,5 ml) Pimento Dram (bspw. Bitter Truth)

¼ oz. (7,5 ml) frischer Limetten Saft

Eigentlich gehört das ganze geschüttelt, ihr könnt die Zutaten aber auch direkt im Glas mit etwas Eis verrühren. Gießt danach einfach mit einem guten Apfelwein auf und garniert es mit ein bisschen Orangeat. Ich will mich ja nicht selbst loben, aber das ist schon so ziemlich Weihnachten im Glas. Sollte jemand einen Namensvorschlag haben, gerne her damit.


[1] https://www.worlds50bestbars.com/the-list/little-red-door.html (zuletzt abgerufen am 05.12.2022)

[2] http://www.luluwhite.bar/ (zuletzt abgerufen am 05.12.2022)

[3] https://www.youtube.com/@TrufflesOnTheRocks

Offenlegung: Ich stehe zu keiner der genannten Unternehmungen in geschäftlichem Kontakt. Die empfohlenen Spirituosen habe ich von meinem eigenen Taschengeld gekauft.

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