Mir sei mal wieder eine kurze Vorrede gestattet: Der letzte Text liegt nun schon fast zwei Monate zurück. Aber nicht jede Zeit eignet sich zum Schreiben. Eigentlich sehnte ich mich nur nach einer kurzen kreativen Pause, doch dann taumelte die Welt in den Abgrund. Während in der Ukraine ein menschenverachtender und völkerrechtswidriger Krieg entbrannte, war mir schlicht nicht nach fröhlichen Weintexten. Als ich dann endlich dachte, ich könnte mich wieder fürs Schreiben freimachen, stand schon mein Umzug vor der Türe. Daran schloss sich direkt eine heimeliche Isolation an. So konnte ich zwar direkt intensiv mein neues zu Hause genießen, so eine Corona Infektion fördert den Schreibdrang aber auch nicht unbedingt. Trotz aller Widrigkeiten und der anhaltenden Krise, möchte ich mich jetzt zurückmelden:
Wer träumt nicht davon, seinen Wein in einem haushohen Kellergewölbe bei perfekter Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu lagern? Ich habe mir diesen Traum jetzt erfüllt und durchleide doch etwas Trennungsschmerz.
Ich wurde in der Vergangenheit nicht müde, von meinem Weinkeller zu reden. Obwohl ich in einem Neubau wohnte, konnte ich mich über den Keller eigentlich nicht beschweren. Bei durchschnittlich 16°C und 65% Luftfeuchtigkeit fühlte sich mein Wein pudelwohl. Der größte Vorteil war jedoch, dass sich der Keller nur wenige Meter von meiner Wohnung befand. Damit ist jetzt Schluss!
Nachdem klar wurde, dass als bald ein neuer Lebensabschnitt beginnen wird, fing die große Planung an. Da ich aber nicht ganz normal bin, war der konventionelle Umzug zwar schnell organisiert, die Sinnkrise sollte aber noch folgen. Denn der eigentliche Planungsaufwand lag zwei Stockwerke unter mir. Leider bietet unsere gemeinsame Wohnung kein Platz für meinen ganzen Wein. Und selbst, wenn wir den Platz schaffen würden, könnte der Keller im Sommer etwas warm werden. Die bequeme Option fiel mithin aus. Zwar boten einige Freunde ihre Hilfe an, aber ich kenne deren Geschmack und Durst nur zu gut. Diese Variante war damit auch ganz schnell vom Tisch.
Ich musste also zum Äußersten greifen und mich nach externen Lagermöglichkeiten umsehen. In Windeseile arbeitete ich die für mich wesentlichen Punkte heraus:
- Optimale Lagerung
- Erreichbarkeit (ohne PKW)
- Einfacher Zugriff
- Bezahlbarkeit
Obwohl Frankfurt sicher kein verschlafenes Nest ist, waren die Optionen doch begrenzt. Zunächst informierte ich mich bei professionellen Lagerdienstleistern. Die Preise waren vertretbar und die Erreichbarkeit lag auch noch im Rahmen. Allerdings handelt es sich dabei meistens um Industrieflächen, die über keine optimale Kühlung und Luftfeuchtigkeit verfügten. Zu meinem Leidwesen war auch das Thema „Versicherung“ nicht ganz so einfach. Außerdem hat man dort keinen Einfluss darauf, was oder wer im Lager neben einem liegt. Mit ganz viel Pech lässt sich dort ein frenetischer Schimmelkäseliebhaber nieder oder ein Fan von anderen geruchsintensiven Waren. Klar, eher ein unwahrscheinliches Schreckensszenario, aber insgesamt hatte ich dabei kein gutes Gefühl.
Einen kompletten Gegenentwurf lieferte die sog. WineBank in Frankfurt. In bester Lage werden dort Lagermöglichkeiten angeboten. Temperatur und Luftfeuchtigkeit sind selbstverständlich optimal. Die WineBank verfügt über einen extrem hohen Sicherheitsstandard und bietet jede Menge Schnickschnack: Einen Meetingraum, eine Lounge, eine Weinbar, Verpflegung und natürlich einen 24/7 Zugang. Nicht zu vergessen natürlich die Member-Events, den WineBanker’s Table und After Work Veranstaltungen. Die Liste der vinophilen Highlights könnte ich hier beliebig fortsetzen, möchte aber ungern zu einer Werbeveranstaltung verkommen. Mit leidlich leuchtenden Augen klickte ich mich also über die Internetseite. Natürlich ist ein solches Premiumangebot nicht ganz günstig. Die Preise trieben mir dann allerdings doch ein paar Tränen in die Augen. Los geht es bei 149 Euro und steigert sich dann auf satte 1.000 Euro pro Monat. Für 1.000 Euro im Monat bekommt ihr das volle Paket, allerdings nur für etwa 332 Flaschen. Mal ganz abgesehen davon, dass ich für das Geld in Frankfurt eine kleine 2-Zimmer Wohnung (inkl. Keller) anmieten könnte, würde noch nicht einmal mein ganzer Flaschenbestand unterkommen. Wobei: In einer solchen Weinwohnung ließe sich allerhand Unsinn anstellen. Ich glaube ich muss mal in meinem Freundeskreis rumfragen. Für echte Weinliebhaber und – sammler ist das Angebot eigentlich ungeeignet. Vielleicht ist es einfach Neid oder auch meine schwäbische Sparsamkeit, aber selbst wenn ich es mir leisten könnte, würde ich diesen Preis nicht bezahlen wollen. Für 1.000 Euro im Monat kann ich mir monatlich einen gereiften Premier Cru oder mehrere kleinere Gewächse aufziehen. Außerdem steht mir der Sinn nicht danach, dort mit wildfremden Menschen abzuhängen. Mir ist auch so, als würde ich dort auf den Besitzer der Mercedes G-Klasse treffen. Und ein solches Wiedersehen möchte ich dringend vermeiden. Ich werde den Eindruck nicht los, dass es potenziellen WineBankern mehr um das Sehen und Gesehen werden geht und vielleicht weniger um das Lagern von Wein. Sicherlich ein legitimes Ansinnen und Geschäftsmodell, aber eben nicht mein Stil. Ich will hier nicht verhehlen, dass ich ein paar der Gimmicks schon echt cool finde, gerade exklusive Veranstaltungen mit den Winzern haben was für sich. Jeder nach seiner Fasson. Ich bemühe mich darum, Wein als etwas Unprätentiöses und Geselliges zu vermitteln. Wein als Mittel der Distinktion ist so gar nicht meins. Aus vielerlei Gründen war diese Möglichkeit dann auch schnell passé.
Nach einiger Recherche konnte ich aber eine weitere Möglichkeit auftun. Ein lokaler Weinhändler in Frankfurt bietet ebenfalls Lagerflächen an. Die Beschreibung klang super und so machte ich mich zu einer Besichtigung auf. Im Frankfurter Ostend stieß ich dann auf ein kleines Weinparadies. In einem haushohen Gewölbekeller mit perfekten Bedingungen, kam ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Völlig unaufgeregt schlummerten dort bereits einige Spitzenweine auf schlichten Europaletten. Meine Fläschchen sind im Vergleich eher die kleinen Brüder. Für den Fall, dass dort jemals ein Einbruch stattfindet, muss ich mir um meinen Wein wirklich keine Sorgen machen. Sollten die Täter über etwas Weinsachverstand verfügen, würden sie mir eher ein paar Flaschen dazulegen. Der Drops war schnell gelutscht; hier sollte mein Wein landen. Natürlich fehlt der Meetingraum, die Weinbar etc. pp. Da ich aber in den letzten 35 Jahren keinen privaten Meetingraum brauchte, hoffe ich noch eine Weile ohne einen solchen auszukommen. Mit einem Blick auf meine Anforderungsliste musste ich feststellen, dass eigentlich keine Wünsche offenbleiben. Erreichbarkeit und Zugang sind gesichert. Versicherungsschutz besteht. Läuft! Als Extra gibt es einen engen Kontakt zu einem gut sortierten Weinhändler obendrauf.
Jetzt musste der Wein nur noch umgezogen werden. Dankenswerterweise bekam ich tatkräftig Unterstützung von einem guten Freund. Dummerweise hatte ich vergessen, dass er ein Cabrio fährt. Naja gut. Trotz astronomischer Spritpreise mussten wir eben gleich mehrmals fahren. Jede freie Fläche wurde beladen und ich faltete mich kompakt auf den Beifahrersitz. Zugegeben, ich bin schon ohne fragile Weinfracht ein eher mittelmäßiger Beifahrer. Mit Wein an Board werde ich aber zum nervlichen Frack. Letztendlich ging natürlich nichts zu Bruch, aber wahrscheinlich nur wegen meiner ständigen „ah“, „oh“, „vorsichtig bitte“.





Jetzt liegt ein Großteil meines Weins gut 5,1km von mir entfernt. Ich weiß zwar, dass er jetzt an einem besseren Ort ist, aber ein bisschen Trennungsschmerz verspüre ich trotzdem. Ich tröste mich mit dem Gedanken, zukünftig keine unüberlegten Entscheidungen mehr treffen zu können. Nicht nur ein Wein ging viel zu früh von uns, weil ich angeheitert eben „Bock“ hatte. Jetzt müssen Weinabende im Voraus geplant werden und unwillkürliches Trinken gehört der Vergangenheit an. Einige Weine haben es allerdings nicht bis ins Paradies geschafft und warten nun im häuslichen Keller auf eine zeitnahe Befreiung. Einer davon:
Weingut Dr. Loosen (Mosel) – Riesling Kabinett – Selection Alexander von Essen (Rotlai) – 2017
Wir nutzten das kurze Frühlingsintermezzo für einen ersten Kabi. Moseltypischer geht es kaum. Bereits in der Nase kommt die typische Mineralität deutlich zum Vorschein. Neben gelber Frucht duftet es nach nassem Stein. Die moseltypische Mineralität setzt sich auch am Gaumen fort. Süße und Säure spielen miteinander und bringen den Wein zum Vibrieren. Ein archetypischer Wein. Mit lediglich 10 Volumenprozent ist es auch kein Problem, wenn die Flasche zügig geleert wird. Der Sommer kann kommen!